Die Sehnsucht nach Unterhaltung und die Suche nach verlässlicher Information treiben die Menschen wieder vor den heimischen TV-Bildschirm. Doch auf dem Smart-TV im Wohnzimmer tummeln sich eine Vielzahl neuer Wettbewerber. Bewegtbild überall zu jeder Zeit war gestern, heute geht es darum, wer die Stimmung auf der Couch am besten trifft.
In schwierigen Zeiten ist es gar nicht so leicht, den richtigen Ton zu treffen – auch oder gerade als Moderator einer Unterhaltungshow: Fernsehen, seit den 50er Jahren das „Fenster zur Welt“, ist für manche zum „Weltersatz“ geworden. Wenn es draußen zu stark stürmt und an den Grundfesten des eigenen Daseins gerüttelt wird, darf man das Fenster auch einmal schließen und für zwei, drei Stunden in eine andere, bessere Welt eintauchen.
Der 13. Dezember 2020 war so ein Tag – mit hohen Infektionszahlen und weitreichenden Lockdown-Beschlüssen. „An einem bescheidenen Tag mit bescheidenen Nachrichten freuen wir uns umso mehr, dass wir Ihnen gute Unterhaltung ins Wohnzimmer bringen dürfen“, sagt Moderator Thore Schölermann am Abend bei „The Voice of Germany“. Zu Hause auf der Couch fühlt man sich bestens verstanden: „Heute bitte nur noch gute Gefühle.“
Unterhaltung stabilisiert Emotionen
„Mood-Management“ nennen Medienpsychologen diesen Versuch der Menschen, ihre Stimmung durch bestimmte Medienangebote zu regulieren. In Zeiten von schlechten Nachrichten sind positive Emotionen gefragt. „Wir beobachten seit Beginn der Coronakrise einen starken Zulauf für unterhaltungsorientierte Formate“, erklärt die Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher von der Universität Hamburg. „Viele Menschen sehnen sich nach Normalität, nach Tagesstruktur und Ablenkung.“
Als Gegenpol zu sachorientierten Informationen, Nachrichten und Sondersendungen könnten „Erlebnisangebote“ die Sehnsucht nach dem alten Leben bedienen. „Die Zuschauer wollen live dabei sein, Ereignisse verfolgen und Menschen sehen, selbst wenn nur Pappkameraden im Publikum sitzen.“ In einer Art „Kunstgegenwelt“ finde all das statt, was man im Moment selbst nicht haben kann, erklärt Bleicher, die TV-Formate in Krisenzeiten erforscht: „Die Beteiligung der Zuschauer und das Prinzip des offenen Endes, zum Beispiel bei Livevotings, vermitteln das Gefühl, dabei zu sein, wenn sich etwas ereignet.“