Auf dem Smart-TV tummeln sich mittlerweile nicht nur Fernsehanbieter, Streamingdienste und Mediatheken, sondern auch YouTube, Spotify und viele Social-Media-Anwendungen. Wie kann das lineare Fernsehen seine Position in der Wohlfühloase verteidigen?
Henrik Pabst: Auf dem Smart-TV im Wohnzimmer buhlen längst diverse digitale Inhalte um Aufmerksamkeit. Aber dieser Screen ist auch das Feld, das wir seit Jahrzehnten bestellen, Unterhaltung und Infotainment sind unsere Kernkompetenzen. Das vergangene Jahr hat gezeigt: Hochwertige Inhalte entfalten auch in schwierigen Zeiten eine enorme Kraft, das gilt für digitale Angebote genauso wie für klassisches TV. Mit unseren unverwechselbaren Programmfarben machen wir ein breitangelegtes und spannendes Seh-Angebot: Von großen Prime-Time-Shows über Reality-Hits und verlässliche Infotainment-Angebote wie das „SAT.1 Frühstücksfernsehen“ bis hin zu Live-Sporthighlights wie die Bundesliga, die wir ab Sommer 2021 exklusiv im Free-TV zeigen. Mit dieser Programmvielfalt werden wir unseren Platz auf dem Screen verteidigen und ausbauen.
Das Fernsehen ist in der Pandemie für viele das Fenster zur Realität geworden: Die Menschen sehnen sich nach Interaktion, Unterhaltung und Struktur. Wie hat sich das auf die Programmgestaltung ausgewirkt?
Pabst: Am Anfang der Pandemie im Frühjahr 2020 überwog zunächst das Bedürfnis nach schneller und zuverlässiger Information. Diesem Auftrag sind wir mit zahlreichen Sondersendungen und Corona-Specials nachgekommen. Mit der Zeit wuchs das Bedürfnis nach Zerstreuung und Ablenkung. Kurzum: Nach guter Unterhaltung. Und die haben wir geliefert! Wir haben die Schlagzahl erfolgreicher Prime-Time-Showstaffeln wie „The Masked Singer“ erhöht. Wir haben neue Showreihen wie „Wer stiehlt mir die Show“ erfolgreich etabliert und beliebte Reihen wie „Germany’s Topmodel“, „The Voice of Germany“ oder „The Voice Kids“ in eine neue Runde geschickt.
Nach Jahren wird die Sendergruppe wieder eine eigene Nachrichtenredaktion aufbauen. Ist das eine Chance, sich von den Streamingdiensten abzuheben?
Pabst: Was uns immer noch signifikant von allen Streamingdiensten unterscheidet, ist unser überzeugendes Angebot an lokalen und einzigartigen Inhalten, die es so nur auf unseren Plattformen zu sehen gibt. Wir setzen seit gut einem Jahr verstärkt auf lokale, relevante und Live-Inhalte. Mit dem Aufbau einer eigenen Newsredaktion führen wir diese Strategie konsequent fort. Wir werden mit Beginn des Jahres 2023 die Nachrichten für ProSieben, SAT.1, Kabel Eins über alle Plattformen selbst produzieren. Damit bauen wir die Themen Aktualität, Information und Relevanz signifikant aus.
Nachrichten zahlen eher aufs Image ein als auf die Bilanz – was versprechen Sie sich von der Offensive?
Pabst: Eine hochwertige und unabhängige News-Berichterstattung ist in einer immer komplexer werdenden Welt mit auf Algorithmen basierten Informationsflüssen wichtiger denn je. Unsere Zuschauerinnen und Zuschauer erwarten verlässliche, tagesaktuelle Informationen und diese werden wir ihnen bieten. Außerdem schafft eine zentrale Nachrichtenredaktion völlig neue Möglichkeiten in der aktuellen Berichterstattung, vor allem in punkto Flexibilität und der crossmedialen Ausspielung über alle Plattformen.
Streamingdienste wie Netflix stoßen bei jungen Erwachsenen allmählich an ihre Wachstumsgrenzen. Dafür wird nun beim traditionellen TV-Publikum, den 30- bis 49-Jährigen, gewildert. Wie können Sie diese umkämpfte Zielgruppe stärker an sich binden?
Pabst: Wir wissen um den Shift von linear zu digital und transformieren uns mit Hochdruck. Klar ist: Die Programmvorlieben ändern sich. Mittlerweile stehen bei unseren Zuschauerinnen und Zuschauern nicht mehr US-Filme und Serien im Fokus, denn dieses Programmangebot finden sie bereits auf einer Vielzahl anderer Plattformen. Deshalb haben wir bereits vor einiger Zeit begonnen, das Programm umzustellen und vermehrt auf lokale und Live-Produktionen gesetzt. Wie ernst es uns mit dieser Strategie ist, sieht man am Kauf des Bundesliga-Pakets für SAT.1. Aber Serienfans können aufatmen: US-Programme sind auch weiterhin wichtig für unsere Programmversorgung.