Der Wirtschaft wird noch eher vertraut als der Regierung und den Medien. Was können Marken denn konkret bewegen?
Lönneker: Marken haben die Möglichkeit und die Kraft, Veränderungen in der Gesellschaft aufzugreifen, zu kommentieren, abzumildern oder zu fördern. Bislang lag der Fokus in der Markenführung auf der Frage, wie man sich differenzieren und eine einzigartige Positionierung schaffen kann. Wir denken, dass Marken heute viel stärker das verbindende Momentum in der Gesellschaft in den Vordergrund rücken sollten, und beraten unsere Kunden dahingehend. Marken können Gemeinsamkeiten betonen und die Gemeinschaft stärken. Sie können über gesellschaftliche Realitäten hinweg Brücken schlagen.
Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Lönneker: Einige Marken sind damit bereits sehr erfolgreich. Die Telekom, die sich seit Jahren gegen Hass und Hetze im Netz einsetzt, hat die Gemeinschaft sogar in ihren Claim „Erleben, was verbindet“ integriert. Das gemeinsame Begehren einer Marke wie BMW, Mercedes oder Apple kann genauso Verbindendes schaffen wie die gemeinsame Schnäppchenjagd beim Discounter. Der Perspektivwechsel ist das Entscheidende: Marken sollten jetzt das Verbindende stärker betonen als das Trennende.
Einige beziehen auch klar Position im politischen Diskurs, wie Edeka mit der Kampagne „Warum bei Edeka Blau nicht zur Wahl steht“.
Lönneker: Es verlangt einigen Mut, sich eindeutig zu positionieren und zu kommunizieren: „Bis hierhin und nicht weiter“. Ich denke, alle Marken sind jetzt gut beraten, zumindest eine Grundhaltung pro Demokratie zu entwickeln, ohne dabei in die Beliebigkeit abzurutschen.
Markenexperten warnen schon vor einer „Haltungsinflation“. Wie kann man das Abrutschen in die Beliebigkeit denn verhindern?
Lönneker: Es bringt nichts, wenn alle gleichzeitig sagen „Ich bin für Demokratie“ – Haltung darf keine hohle Phrase sein. Auch die Werbungtreibenden müssen den Menschen zuhören, wissen was sie wirklich bewegt und sie dort abholen. Dabei kann die Forschung sie unterstützen.
Auch die Forschung muss sich immer öfter gegen Hörensagen und Halbwissen wehren. Nicht selten werden die Ergebnisse seriöser Arbeit mit einer Meinung weggewischt. Wie gehen Sie bei rheingold salon damit um?
Lönneker: Ich bemühe mich, die Menschen dort abzuholen, wo sie in ihrem Empfinden stehen und nicht einfach mit Fakten drüberzubrettern. Das ist leider das Dilemma: Wissenschaft und Forschung wurden lange genutzt wie eine Ersatzreligion. Wir haben Forschungsergebnisse wie einen Katechismus vor uns hergetragen, an den man glauben muss. Heute wissen wir, dass auch wissenschaftliche Ergebnisse einen gewissen Zeitwert haben, modifiziert, anders aufgefasst und verbessert werden können. Wir sollten Forschung als einen klugen und beachtenswerten Zugang zur Wirklichkeit verstehen und nicht als das Einzige, was zählt.