Sie haben einmal gesagt, KI sei die „Demokratisierung von Kreativität“. Mit den Tech-Giganten läuft es aber eher auf eine Oligarchie hinaus.
Tom Schwarz: Wenn alle die gleichen technischen Vorsausetzungen haben, gewinnt die überlegene Idee. Das meine ich mit Demokratisierung von Kreativität: In Zukunft wird jeder in der Lage sein, ohne Grafiker, Illustrator oder Art Direktor einen ersten Wurf zu machen, eine Fantasiewelt zu erschaffen oder eine Zeitreise, verschiedene Settings zu zeigen – zum Beispiel in der Wüste, im Dschungel und im Eis. Das alles war in der Vergangenheit unfassbar teuer. Heute kann ich quasi per Knopfdruck aus einem Grundformat 400 verschiedene Bewegtbildformate machen, die über Addressable TV für verschiedene Zielgruppen, unterschiedliche Städte oder Wetterbedingungen ausgespielt werden. Ich kann Kunden ohne großen Aufwand verschiedene Varianten vorlegen. Voice Cloning ermöglicht zudem, dass nicht mehr alles einzeln eingesprochen werden muss. Der Kreationsprozess hat unglaublich an Effizienz gewonnen. Die Demokratisierung besteht darin, dass diese Möglichkeiten jetzt allen zur Verfügung stehen.
Haben Sie keine Sorge, dass Kreation dadurch austauschbar statt unverwechselbar werden könnte?
Tom Schwarz: Ich denke, dass diejenigen Kreativen und Agenturen Schwierigkeiten bekommen werden, die sich schon bisher mit gesundem Halbwissen und wenigen Ideen über Wasser gehalten haben. KI wird viel Durchschnittliches und viel Mittelmaß ersetzen. Wer erfolgreich sein will, wird auch weiterhin eine außergewöhnliche Idee brauchen. Die legendären Momente, das Ikonische entwickelt sich oft jenseits von Skript und Inszenierung, wie der „Umfaller“ aus dem Jever-Spot, der zufällig aus einer Emotion heraus am Ende eines langen Drehtags entstand. Gute Kreation braucht weiterhin den Faktor Mensch.
Generative KI kann momentan nur Durchschnitt auf Basis vergangener Muster erzeugen. Vielleicht genügt es vielen Kunden ja auch, wenn alte Ideen neu kombiniert werden?
Tom Schwarz: Vielleicht ist das so. Aber wer zu viel KI macht, läuft Gefahr, nur noch die Innenansicht zu zeigen. Also das, was das Marketing durch Marktforschung herausgefunden hat. Das wird dann schnell zu selbstähnlich. Man braucht schon noch eine klare Kante, etwas Überraschendes, ein Momentum, das zum Schmunzeln oder Nachdenken bringt. Sonst haben wir irgendwann nur noch Einheitsbrei. Die Gefahr besteht durchaus, denn auch unser Geschäft ist zunehmend effizienzgetrieben und mit KI werden die Spots zwischen 40 und 50 Prozent günstiger. Wir befinden uns in einer Perma-Krise und das verunsichert viele Marketingleute. Umso wichtiger ist es, die Fahne hochzuhalten und sich durch außergewöhnliche Kreation aus der Masse herauszuheben. Kreativität ist krisenresistent.
Schauspieler, Synchronsprecher und Musiker fürchten um wichtige Einnahmequellen. Vor Kurzem haben sich rund 100 Künstlerinnen und Künstler mit der Petition „Verbietet das Fälschen echter Menschen!“ an die Politik gewandt. Wie wird man ihnen gerecht?
Tom Schwarz: Mit einem tragfähigen Lizenzmodell und fairer Bezahlung. Für das Vervielfältigen von Stimmen muss es ein Honorar geben. Das machen wir auch jetzt so, wenn zum Beispiel eine Influencerin ein Voice Overlay einmal einspricht und wir daraus viele Varianten bauen. Wenn wir aus dem Adobe Stock ein neues Bild gestalten, bekommt jede Fotografin und jeder Fotograf ein anteiliges Honorar. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir auch weiterhin Originale brauchen und dass markante Schauspieler:innen und Synchronstimmen in der Werbung präsent bleiben. Wir empfehlen unseren Kund:innen, dass gedreht wird, sobald ein Mensch agiert und in die Kamera spricht. Dagegen kann man eine schnelle Bilderabfolge, bei der Menschen wie im Lacalut-Spot in die Kamera lächeln, sehr gut mit KI erstellen.